Geisterlicht - Kapitel 2 - Traum oder nicht Traum, das ist hier die Frage.
02 Juni 2013
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Geisterlicht
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Was Wirklichkeit und was Traum war, konnte ich in diesem Moment nicht unterscheiden. Ich rieb mir müde den Schlaf aus den Augen und sah mich um.
Eigentlich hatte ich erwartet, dass mein Zimmer total verwüstet war, aber es sah eigentlich aus wie immer. Ich war nur davon überzeugt, dass der Klamottenberg, der auf dem Boden lag, ein wenig ordentlicher aussah, als ich ihn zurückgelassen hatte. (Ich bin eben der komplette Chaot und irgendwie gefällt mir das so auch ganz gut.)
Ich gähnte herzhaft und schüttelte einmal kurz den Kopf, um wieder klar sehen zu können.
Mein Kopf brummt, als wenn ich zu viel getrunken hätte und zudem war mir auch noch schwindlig. Erst nachdem die Welt aufgehört hatte sich zu drehen, versuchte ich aufzustehen.
Das ging schon mal sehr gut, auch wenn die Welt noch immer ein wenig schwankte und nicht alles wirklich fest wirkte. Doch das legte sich auch schon wieder nach ein paar Sekunden. Nachdem wieder alles in Ordnung zu sein schien, sah ich kurz auf die Uhr.
Es war 5 Uhr abends.
Als mir das bewusst wurde, war ich entsetzt. Ich hatte mindestens 6 Stunden verschlafen, und wenn ich richtig lag, dann hatte ich nicht nur das Frühstück, sondern auch noch das Mittagessen verpasst.
Das ärgerte mich ziemlich. Ich liebte das Essen unserer Haushälterin und hatte fast nie beim Essen gefehlt. Noch ein Punkt, der mich ärgerte, war die Tatsache, dass es heute mein Lieblingsessen geben sollte oder gegeben hatte ... je nachdem, wie man das sehen will.
Mir war schon klar, dass gleich ein freundlich gemeinter Scherz über meine Vielfräßigkeit kommen würde, wenn ich nach unten kam und mir Mira dann eine extra große Portion ihres köstlichen Essens auftischen würde.
Nagut ... ich spekulierte eher darauf, als das ich es wusste. Aber ich kannte Mira schon lange genug, um zu wissen, wie sie tickte. Sie war wie eine Art Ersatzmutter für mich.
Und das brauchte ich auch. Denn da mein Vater fast nie da war, hätte ich sonst den Großteil meines Lebens allein verbracht. Zwar hatte ich natürlich Freund, aber die hatten auch nicht immer Zeit.
Ich lief also nach unten und sah mich um. Mein Brummschädel meldete sich, als ich hörte, dass in der Küche (mal wieder) lautstark Musik lief.
Die kam allerdings nicht von Mira, sondern von ihrer Tochter. Maddie.
Wir waren sozusagen miteinander aufgewachsen und fast wie Schwestern. Sie ist echt cool. Ihre Haare haben einen leichten Blaustich, bei dem man meinen könnte, dass er künstlich wäre. Aber das ist er nicht ... jedenfalls nicht ganz. Sie trägt nämlich auch gerne mal ein paar blaue Strähnen im Haar.
Ich trat in die Küche und sah mich um. Sie war sauber wie immer. Die Edelstahlgeräte glänzten. Die Arbeits- und die Kochstelle ebenfalls.
Das Einzige, was diese Sauberkeit (die eigentlich immer hier herrscht ... Mira hasst Unordnung) störte, war das schmutzige Geschirr, das in der Spüle stand.
"Hey, Amy du kommst grade richtig zum Abendessen. Du musst doch sicher sterben vor Hunger ... schließlich hast du den ganzen Tag noch nichts gegessen." Ich sah mich um und entdeckte Mira und Maddie, die beide schon am Tisch saßen und jeweils einen Teller von Miras Spezialsuppe vor sich stehen hatten.
Da kam er auch schon. Der Witz über meine Gefräßigkeit. Auch wenn ich gedacht hatte, dass er schlimmer ausfallen würde.
"Komm setz dich." Ihre Stimme klang wie immer freundlich.
Das ließ ich mir nicht zwei Mal sagen. Ich setzte mich an den Tisch, schnappte mir meinen Teller und ließ mir eine große Portion auffüllen.
Ich seufzte, als ich den ersten Löffel Suppe probierte. Himmlisch. Wie immer.
"Sag mal. Warum warst du denn die ganze Zeit in deinem Zimmer. Hast du etwa geschlafen?", fragte Maddie mit vollem Mund. Es war mir wie immer ein Rätsel, wie sie es schaffen konnte zu essen, zu lesen und dabei euch noch mit mir zu reden.
Eigentlich sind essen und reden ja nicht wirklich Tätigkeiten, die man gleichzeitig ausüben konnte, beziehungsweise sollte. Aber sie tat es trotzdem und zwar ohne das sie es bemerkte.
"Ich ... ähhh ... ", setzte ich an, aber klappte dann doch den Mund zu.
Sie werden mir das eh nicht glauben. Warum sollte ich es ihnen dann erzählen?
"Mir ging es nicht so gut. Außerdem hab ich schlecht geschlafen. Wir schreiben am Mittwoch eine wichtige Arbeit in Geschichte und ich kann das Thema nicht sonderlich gut."
Zwar wusste ich nicht, ob ich nun wirklich lügen musste (es konnte ja noch immer ein Traum sein). Aber besser tat ich das jetzt und klärte sie später auf. Genau genommen ist das ja noch nicht mal wirklich gelogen. Ich hab ja ... wenn es ein Traum war wirklich schlecht geschlafen.
Trotzdem behagte es mir nicht, denn normalerweise war ich ein sehr ehrlicher Mensch. Meistens gab es aber auch einfach keinen Grund für mich zu lügen.
Maddie sah mich so an, als würde sie mir nicht glauben. Das war auch irgendwie klar. Sie kannte mich schon ewig und sah es mir an der Nasenspitze an, wenn ich log. Aber sie wusste auch, dass ich einen Grund hatte, wenn ich es denn mal tat.
Mira merkte auf jeden Fall nichts, denn sie verwickelte mich sogleich in eine Diskussion darüber, was wir am Geburtstag meines Vaters machen wollten, was wir essen wollten und zudem was sonst noch alles zu tun war.
Ich wusste nicht, warum sie sich überhaupt darüber Sorgen machte. Dieser Tag lief schließlich jedes Jahr gleich ab. Wenn man dann mal bedenkt, dass man nie weiß, ob er auch wirklich da ist.
Jedes Jahr das gleiche Prozedere, bei dem sich unsere Familie dann auch mal für uns interessierte. Das war eine der wenigen Gelegenheiten, dass ich sie sah und es fand nie bei uns zu Hause statt.
Ich hatte mal gefragt, warum wir denn nicht zuhause feierten, aber mein Vater ignorierte meine Frage und lenkte mich davon ab, indem er einfach das Thema wechselte.
Auch deswegen interessierte es mich im Allgemeinen auch nicht besonders. Es bedeutete nur, dass ich einmal in die Stadt gehen musste, um irgendein Geschenk für ihn zu kaufen.
Als Mira mich also anfing auszufragen schaltete ich auf Durchzug und nickte nur hin und wieder, um ihr vorzugaukeln, dass ich zuhören würde ... auch wenn dem natürlich nicht so war.
Von der anderen Seite des Tisches schaute mich Maddie vorwurfsvoll an. Ihr Blick schien zu sagen "Komm schon zeig wenigstens ein bisschen Interesse". Ich feuerte meinen besten Warum-sollte-ich Blick ab und wandet mich wieder meinem Teller zu.
Zu meinem Bedauern war er leer und die Suppe zudem auch noch. Ich war natürlich mal wieder nicht die Einzige, die ordentlich zugelangt hatte. Auch wenn Maddie normalerweise nicht besonders viel aß, war doch hin und wieder was dabei, bei dem sie einfach nicht anders konnte.
Ich legte den Löffel auf den Teller und stand auf. Mira bemerkte es und sah mich. "Sollen wir's denn wie letztes Jahr machen?"
Sie hatte mich erwischt. Sie hatte gemerkt, dass ich ihr nicht zugehört hatte. Und sie hatte gemerkt, dass ich mich genau so sehr für den Geburtstag meines Vaters interessierte, wie letztes Jahr.
Ich lächelte sie einmal kurz an und sagte einfach nur "Ja. Das wäre glaube ich das Beste."
Ich sah auf den Boden. Wie kann ich hier stehen und sie anlächeln, wenn ich sie grade erst belogen habe?
Es tat mir noch immer in der Seele weh und ich würde lange mit mir kämpfen müssen, aber ich wollte sie nicht verschrecken. Mira und Maddie würden sich beide sehr große Sorgen machen und das wollte ich nicht.
Ich würde mir etwas einfallen lassen müssen und zwar schnell. Aber erst mal musste ich herausfinden, warum dieser Geist ausgerechnet mich besucht hatte. Allein an dem, was sie gesagt hatte, hatte ich erkennen können, dass es kein Zufall war und das das Geistermädchen nicht nur aus reiner Langeweile entschieden hatte aufzutauchen.
Ich bezweifelte das Google mir in diesem Fall helfen konnte. Auch wenn es ja immer heißt "Google ist dein bester Freund". Trotzdem wollte ich diese Möglichkeit nicht gleich aus dem Kopf schlagen.
Doch zu wem sollte ich gehen? Zu meinem Vater?
Fürs Erste sollte ich das wohl erst mal geheim halten. Nicht das man mich auf einmal zu einem Psychiater schickt.
Hätte ich gewusst, dass ich die Antwort schon bald erhalten würde, dann wäre ich vielleicht auf das vorbereitet gewesen, was auf mich zukam. Ich hätte einige Fehler weniger machen können. Aber das war nunmal nicht so. Vielleicht war das auch besser so. Denn dann wäre ich ein ganz anderer Mensch geworden.
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